Auf dem Foto ist eine blaue Webcam zu sehen.
© Vitamin/Pixabay (Bearbeitung: BildungsBausteine e.V.)

ZDZH-Talk #4:

Antisemitismus, Rassismen und die Singularität der Shoah

mit Dr. Urs Lindner

Teil 1: Antisemitismus – eigenständiges Phänomen oder Unterform von Rassismus?

Im Rahmen des BildungsBausteine-Projekts „Zusammen_denken, zusammen handeln – Spannungsfelder der antisemitismus- und rassismuskritischen Bildung konstruktiv bearbeiten“ sprachen die Projektleiter*innen Iven Saadi und Susanna Harms am 19. September 2024 mit Dr. Urs Biskamp sowohl über das Verhältnis von Antisemitismus zu Rassismus bzw. (anderen) Rassismen als auch über die Singularität der Shoah im Vergleich zu anderen – unter anderem kolonialen – Genoziden:

Dr. Urs Lindner ist habilitierter Philosoph mit Schwerpunkt auf politischer Philosophie und derzeit Fellow am Centre for Global Cooperation Research der Universität Duisburg-Essen mit einem Projekt zu Erinnerungsmaterialismus. Außerdem hat er sich in den letzten Jahren intensiv in den zivilgesellschaftlichen Initiativen „Decolonize Erfurt“ und „Decolonize Wuppertal“ engagiert.

In der Folge angesprochene Namen, Texte und Begriffe:

(in der Reihenfolge der Erwähnung)

Glynis Cousin & Robert Fine (2012): A COMMON CAUSE. Reconnecting the study of racism and antisemitism, European Societies, 14(2), S.166–185; Download

Ben Gidley, Brendan McGeever & David Feldman: Labour and Antisemitism: a Crisis Misunderstood, The Political Quarterly, Volume 91, Issue 2, April–June 2020, S. 413-421

The Nexus Document: Understanding Antisemitism at its Nexus with Israel and Zionism, zuletzt aktualisiert im Juni 2024; deutsche Übersetzung der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Kassel e.V. (inkl. Einführung)

International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA): Arbeitsdefinition von Antisemitismus (2005 erstmals veröffentlicht vom damaligen European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia (EUMC) und 2016 vom Plenum der IHRA verabschiedet

The Jerusalem Declaration on Antisemitism/Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus vom 36.03.2021

Sechstagekrieg: israelisch-arabischer Krieg im Jahr 1967, der vom 5. bis 10. Juni dauerte

Heinrich Gotthard von Treitschke (1834-1896): deutscher Historiker, Publizist und Politiker, der den Antisemitismus im Bürgertum und in der Wissenschaft des Kaiserreichs gesellschaftsfähig machte

Master-Stereotype: Haupt-, wichtigste oder zentrale Stereotype

„Eurabien“-Verschwörungstheorie: eine 2005 von der britischen Autorin Gisèle Littman unter dem Pseudonym Bat Yeʾor lancierte islamfeindliche Verschwörungserzählung über eine vermeintliche, von europäischen Eliten unterstützte Islamisierung Europas, die gleichzeitig das von „muslimischen Feinden“ eingekreiste Israel bedrohe; wurde bspw. 2011 vom norwegischen Rechtsterroristen Anders Behring Breiviks zur Rechtfertigung seiner Anschläge in Oslo und Utøya herangezogen, bei denen er 77 Menschen ermordete

Richard Henry Pratt (1840–1924): Der US-amerikanische General und Gründer der „Carlisle Indian School“ in Pennsylvania, prägte den Ausspruch „Töte den Indianer, rette den Menschen“ in einer Rede von 1892.

Gavin I. Langmuir: Toward a Definition of Antisemitism, Berkeley 1996

Chimerical hostility (chimärische Feindseligkeit): Chimäre = Trugbild, Hirngespinst

ascription: deutsch = Zuschreibung

Dr. Dr. Peter Ulrich: Berliner Soziologe und Kulturwissenschaftler, u. a. Fellow am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin und Mitherausgeber des Sammelbands „Was ist Antisemitismus? Begriffe und Definitionen von Judenfeindschaft“ (Göttingen 2024)

Critical Whiteness-Ansätze: Ansätze, die sich auf die US-amerikanischen Critical Whiteness-Studies beziehen, in denen die (geschichtliche und gegenwärtige) soziale Konstruktion von Weißsein sowie die damit einhergehenden Priviliegien erforscht werden (dt.: Kritische Weißseinsforschung)

Colorism: bevorzugte oder benachteiligte Behandlung von Menschen basierend auf dem Grad der Schattierung ihrer Haut, bspw. Bevorzugung einer Schwarzen Person mit hellerem Hautton gegenüber einer Schwarzen Person mit einem dunkleren Hautton (ggf. auch innerhalb einer Schwarzen Community)

subsumieren: dazuzählen, unterordnen

Reconquista (span. „Rückeroberung“): spanische und portugiesische Bezeichnung für die Rückeroberung der von 722-1492 muslimisch beherrschten Iberischen Halbinsel durch christliche Herrscher*innen

Antislawismus: rassistische Diskriminierung von Menschen aus Osteuropa bzw. mit (vermeintlich) osteuropäischer Migrationsgeschichte, auch: antislawischer Rassismus

Rassifizierung: Konstruktion von Menschengruppen entlang von Merkmalen wie Abstammung, äußeres Erscheinungsbild oder (quasi als Deckbegriffe für den Rassebegriff:) Kultur und Religion als Grundlage von rassistischer Benachteiligung bzw. Bevorzugung; was genau Rassifizierung von Ethnisierung unterscheidet, ist in der Forschung ungeklärt

Ethnie: Gruppe von Menschen, die sich entlang einer gemeinsamen Abstammung, Herkunft, Geschichte, Sprache, nach gemeinsamen Traditionen und/oder einem gemeinsamen Siedlungsgebiet definiert bzw. als solche definiert wird

Immanuel Kant (1724-1804): deutscher Philosoph der Aufklärung, der in der westlichen Wissenschaftsgeschichte als einer der bedeutendsten Denker der Neuzeit gilt

Robert Bernasconi: Who Invented the Concept of Race? Kant’s Role in the Enlightenment Construction of Race, in: Robert Bernasconi (Hg.): Race, Malden 2001, Seite 11-36

Armin Laschet: nordrhein-westfälischer CDU-Politiker; Kanzlerkandidat der CDU bei der Bundestagswahl 2021

Hans-Georg Maaßen: früherer Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz und damaliges Mitglied der CDU (heute: WerteUnion); sehr umstritten wegen rassistischer, antisemitischer, verschwörungsideologischer und rechtsextremer Äußerungen

Orientalismus: westlicher, kolonial geprägter und stereotypisierender Blick auf die Gesellschaften des Nahen Ostens bzw. die arabische Welt

Jingle: Unity/Kevin MacLeod (incompetech.com); lizensiert unter Creative Commons By Attribution 3.0

Die Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung des BMFSFJ bzw. des BAFzA oder der Berliner Senatsverwaltung dar. Für inhaltliche Aussagen tragen die BildungsBausteine e. V. die Verantwortung, auch wenn die Äußerungen der Sprechenden deshalb nicht automatisch vom Verein geteilt werden.