Von März 2023 bis Dezember 2024 führen die BildungsBausteine im Rahmen des Innovationsfonds des Bundesprogramms "Demokratie leben!" ein länderübergreifendes Projekt für pädagogische Fachkräfte und andere Multiplikator:innen durch.
Die Bekämpfung des Antisemitismus gehört im postnationalsozialistischen Deutschland schon viele Jahrzehnte zum – wenn auch immer fragil bleibenden oder sogar noch fragiler werdenden – gesellschaftlichen Konsens. Durch das unermüdliche Engagement von Selbstorganisationen und politischen Aktivist:innen sowie Wissenschaftler:innen u. a. aus dem Bereich der Postkolonialen Studien ist inzwischen endlich auch die Auseinandersetzung mit Rassismus in der sogenannten Mitte der Gesellschaft angekommen. Begleitet wird diese Entwicklung von kontroversen Debatten über das historische sowie aktuelle Verhältnis von Antisemitismus und Antiziganismus sowie weiteren Rassismen, die häufig auf stark polarisierende Weise geführt werden. Gegenstand solcher Kontroversen ist immer wieder der Staat Israel (zuletzt unter anderem im Kontext der 15. Kasseler Documenta), aber beispielsweise auch das Thema multiperspektivische bzw. - direktionale Erinnerung im Allgemeinen sowie die Verbindungen und die Vergleichbarkeiten von kolonialen und nationalsozialistischen Genoziden im Besonderen. Doch auch innerhalb der unterschiedlichen Disziplinen führen zuweilen Debatten zu größeren Verwerfungen, so wie seit Februar 2022 (in Anbetracht der Geflüchteten aus der Ukraine) die Frage nach der Existenz eines antislawischen Rassismus. Eine wichtige Rolle spielen außerdem identitätspolitisch aufgeladene, teilweise sehr vereindeutigende Debatten über den Umgang mit De-/Privilegiertheit, die potenziell zu Konkurrenzen und Ausschlüssen beitragen, statt – in Anerkennung der Komplexitäten unterschiedlicher gesellschaftlicher Positioniertheiten – gemeinsame Bündnisse nahezulegen. Diese Diskurse schlagen sich auch in der formalen, nonformalen und informellen Bildung nieder und führen bei pädagogischen Fachkräften und anderen Multiplikator:innen immer wieder zu massiven Verunsicherungen.
Bereits vor einigen Jahren haben Akteur:innen aus Wissenschaft und Praxis – u. a. die BildungsBausteine – damit begonnen, die Themenfelder Antisemitismus und Rassismus in ihren Verflechtungen zu bearbeiten und dabei Konkurrenzen und Hierarchisierungen entgegenzuwirken. Solche intersektionalen Ansätze, die sich konstruktiv und differenziert mit pädagogisch-politischen Spannungsfeldern auseinandersetzen und zwischen unterschiedlichen Positionen zu vermitteln suchen, sich aber gleichzeitig klar gegen jeden Antisemitismus und Rassismus positionieren, gilt es dringend auszubauen.
Die wichtigsten Ziele des Projekts:
einen konstruktiven Dialog über Spannungsfelder der antisemitismus- und rassismuskritischen Bildung befördern, der zu einem Miteinander statt einem Gegeneinander führt
Erkenntnisse der antisemitismus-, der rassismus- und der (formenübergreifenden) diskriminierungskritischen Theorie und Praxis füreinander fruchtbar machen
Handlungssicherheit von pädagogischen Fachkräften und anderen Multiplikator:innen im Umgang mit diesen Spannungsfeldern erhöhen sowie ihre Ambiguitätstoleranz fördern
Solidarität, Allyship und Bündnisse zwischen unterschiedlichen Betroffenengruppen sowie Nichtbetroffenen stärken
Unsere Hauptzielgruppen sind Fachkräfte der schulischen und außerschulischen Bildung und aus der Kinder- und Jugendarbeit sowie weitere Multiplikator:innen aus Feldern wie Sozialpädagogik/Soziale Arbeit, Verwaltung, Medien, Projektarbeit für Demokratie und Vielfalt und (sonstiger) Zivilgesellschaft.
Zur pädagogischen Bearbeitung unterschiedlicher Spannungsfelder im Themenfeld wollen wir Konzepte für Fortbildungen mit unterschiedlichen Formaten entwickeln und in mehreren Veranstaltungen an unterschiedlichen Orten sowie als Online-Format erproben. In den Fortbildungen werden sowohl übergreifende Fragestellungen (z. B. das Thema Identitätspolitik) als auch kontroverse Themen (z. B. Israel/Palästina) behandelt. Gemeinsam mit den Teilnehmenden wollen wir uns beispielsweise mit der Frage befassen, welche Ausschlüsse Antisemitismus- bzw. Rassismuskritik jeweils produzieren und welche emotionalen Verfasstheiten dazu beigetragen haben. Wir setzen uns gemeinsam damit auseinander, wie – vor dem Hintergrund unterschiedlicher Wirkungsweisen von Antisemitismus und Rassismen – eine Gleichwertschätzung dieser Ungleichwertigkeitsideologien und eine Solidarisierung zwischen unterschiedlichen Betroffenengruppen sowie ihren Verbündeten erreicht werden können. Neben Wissensvermittlung und Haltungsarbeit wird jede Fortbildung einen praxisbezogenen Teil (in Form von Argumentationstrainings, Kollegialer Beratung oder Ähnlichem) enthalten.
Zur Beförderung des (Fach-)Dialogs über Spannungsfelder des Themenkomplexes wollen wir zudem regelmäßig Online-Produkte (Webtalks, Podcasts, thematische Video-Inputs, Texte etc.) produzierenund publizieren. In drei eintägigen Fachaustauschen mit Akteur:innen aus unterschiedlichen Themen- und Handlungsfeldern sowie einer digitalen Abschlusstagung werden wir zentrale Fragestellungen des Projekts diskutieren und mit der (Fach-)Öffentlichkeit teilen.
Neben Berlin als Sitz des Projekts sind derzeit Fortbildungen in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hambur geplant. Weitere Veranstaltungen werden online angeboten und sind auch für Teilnehmende aus anderen Bundesländern offen.
Die Fortbildungen sollen in Kooperation mit dem Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung, den Landeszentralen für politische Bildung in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, dem baden-württembergischen Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung und ggf. weiteren Kooperationspartner:innen durchgeführt werden. In den fachlichen Austausch werden unterschiedliche Partner:innen aus der antisemitismus- und rassismuskritischen Arbeit sowie angrenzenden Feldern – unter anderem aus Selbstorganisationen – einbezogen.
Ansprechpartner:innen:
Susanna Harms & Iven Saadi
Telefon: 030 – 29 78 42 11
zusammen_denken[at]bildungsbausteine.org
Projektbüro:
Franz-Mehring-Platz 1, Raum 211, 10243 Berlin