Das Foto zeigt ein kaputtes Sparschwein, vor dem viele Münzen liegen.
© Kevin Schneider/Pixabay

Offener Brief zu den geplanten Kürzungen bei der politischen Bildung

Die Bundesregierung hat angekündigt, die Ausgaben für die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) um ein Fünftel von 96 auf 76 Millionen Euro kürzen zu wollen.  

Über die bpb werden nicht nur ihre eigenen Projekte und Veröffentlichungen finanziert, sondern auch zahlreiche Vereine und Initiativen können ihre Maßnahmen nur aufgrund der Unterstützung, die die bpb verwaltet, anbieten.  

Die politische Bildung ist für eine freiheitlich demokratische Gesellschaft ein zentrales Gut. Das gilt auch in „normalen“ Zeiten, denn auch dann ist sie mit Ideologien und antidemokratischen Dynamiken konfrontiert. Wir leben aber leider nicht in „normalen“ Zeiten, sondern in solchen, in denen diese Ideologien eine immense Popularisierung erfahren haben, was sich unter anderem auch in alarmierenden Wahlumfragen ausdrückt. Wir sehen, worauf selbst staatliche Stellen wie das Bundesamt für Verfassungsschutz hinweisen, eine zunehmend offene Akzeptanz rechtsextremer Einstellungen sowie Hass auf gesellschaftliche Minderheiten auf den Straßen wie in den sozialen Netzwerken. Auch Betroffene berichten von einer zunehmenden Feindseligkeit, die ihnen eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe erschwert. Sie reagieren nachvollziehbarerweise mit Angst und Entsetzen auf die gegenwärtigen Entwicklungen. Seit der Pandemie ist überdies deutlich geworden, wie groß auch das Potential für Verschwörungsdenken und antiwissenschaftliches wie antidemokratisches Denken in vielen Milieus der Gesellschaft ist. Insbesondere der Antisemitismus erfährt hierbei einen enormen Auftrieb und dient, wie schon oft in der Geschichte, als Welterklärung sowie der Markierung vermeintlich Schuldiger. Hierzu kommen aktuell auch noch Debatten zum Ukraine-Krieg, in denen tiefsitzende Sympathien für autoritäre Strukturen offenbar werden.  

Die politische Bildung hat für diese Situation kein kurzfristiges Heilmittel anzubieten. Aber sie stellt ein zentrales Korrektiv zu diesen Ideologien dar, insofern ihre Programme auf die Möglichkeit zur Reflektion, Aufklärung und Emanzipation setzen. Angesichts der Bedrohung für die offene Gesellschaft die politische Bildung nicht etwa zu stärken, sondern im Gegenteil zu schwächen, ist weder nachvollziehbar noch hinnehmbar, sondern schlicht unverantwortlich!  

Wenn man den schamlos geäußerten Rassismus, Antisemitismus und Sexismus nicht einfach als neue Normalität zu akzeptieren bereit ist, benötigt man eine starke politische Bildung. Wie viele Programme aber, die gegen Hass und Hetze on- wie offline einstehen, die Räume für Emanzipation schaffen und so das Versprechen der „wehrhaften Demokratie“ erst mit Leben füllen, müssen aufgrund der Einsparungen eingestampft werden? Wie viele neue und dringend erforderliche Initiativen können gar nicht erst entstehen?  

Laut dem Koalitionsvertrag sollte die Finanzierung der politischen Bildung endlich auf ein sicheres Fundament gestellt werden und sogar anwachsen. Dazu haben sich alle Regierungsparteien bekannt und wir fordern, dass die Regierung sich an ihr Wort hält!

Die angekündigten Kürzungen für die politische Bildung müssen zurückgenommen werden.  

Wenn Sie sich dem Offenen Brief anschließen möchten oder bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an die Kölnische Gesellschaft unter kontakt@koelnische-gesellschaft.de oder ⁠unter 0221-3382 225.

Erstunterzeichner*innen:

Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V., Köln 
ABC Bildungs- und Tagungszentrum e.V., Drochtersen-Hüll 
ADIRA NRW, Dortmund 
agisra e.V., Köln 
Alte Feuerwache e.V., Berlin 
AntiDiskriminierungsBüro (ADB) Köln / Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V., Köln 
ARBEIT UND LEBEN Sachsen e.V., Leipzig 
Archiv der Jugendkulturen e.V., Berlin 
Bagrut e.V. Verein zur Förderung demokratischen Bewusstseins, Bochum 
Berlin-Brandenburgische Auslandsgesellschaft (BBAG) e.V. , Potsdam 
BildungsBausteine e.V., Berlin 
Bildungshaus am Meer. Heimvolkshochschule Lubmin e.V., Lubmin 
Bildungsstätte Anne Frank, Frankfur am Main 
Bildungsstätte Haus Ohrbeck e. V., Georgsmarienhütte 
Das NETTZ gGmbH, Berlin 
Entwicklungspolitisches Bildungs- und Informationszentrum e.V. – EPIZ, Berlin 
Europäische Akademie Mecklenburg-Vorpommern e.V., Waren/Müritz 
FUMA. Fachstelle Gender und Diversität NRW, Essen 
Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e.V., Berlin 
GMK – Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e. V., Bielefeld 
Jugendbildungstätte Bremen Lidice-Haus-Gemeinnützige GmbH, Bremen 
Karl-Arnold-Stiftung e.V., Köln 
Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Diözesanverband Trier, Trier 
Kumbig e. V. – das Kulturgetriebe, Köln 
Landesarbeitsgemeinschaft Mädchen*arbeit in NRW, Wuppertal 
Neue deutsche Medienmacher*innen e.V., Berlin 
Paritätisches Jugendwerk NRW, Wuppertal 
pax christi – Deutsche Sektion e.V., Berlin 
Regionale Arbeitsgemeinschaft Bildung und Lernen Oldenburg e.V., Oldenburg 
Robert-Tillmanns-Haus e.V., Berlin 
Rom e.V., Köln 
Spiegelbild – politische Bildung aus Wiesbaden e.V., Wiesbaden 
Stiftung Begegnungsstätte Gollwitz, Brandenburg an der Havel 
Türkische Gemeinde in Deutschland e.V., Berlin 
Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V., Berlin 
Willi-Eichler-Akademie e.V., Köln 
Friedrich Büßen; Studienleiter a.D. der Gustav-Heinemann-Bildungsstätte in Malente/Ostholstein 
Prof. Dr. Jörg Ganzenmüller, Vorstandsvorsitzender Stiftung Ettersberg Weimar 
Prof. Dr. Gudrun Hentges, Universität Köln 
Florian Hessel, Ruhr-Universität Bochum 
Thivitha  Himmen, Köln 
Prof. Dr.  Birgit Jagusch, Technische Hochschule Köln 
Helmut Landgraf, Diplompädagoge 
Prof. Dr. Christiane Leidinger, Hochschule Düsseldorf 
Dr. Nikolas Lelle, Projektleitung Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus (Amadeu Antonio Stiftung) Berlin 
Prof. Dr. Stefanie Lieb, Katholische Akademie Schwerte 
Paul Mentz, Bagrut e.V. Verein zur Förderung demokratischen Bewusstseins, Bochum 
Dr. Verena Paul, Studienleiterin Stiftung Demokratie Saarland, Saarbrücken 
Henriette Schreiber, Anne Frank Zentrum e.V., Berlin 
Reinhard Wenzel, Geschäftsführer August Bebel Institut, Berlin